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Sehr geehrter Herr Jagau,
zur Unterstützung meiner Abgeordnetentätigkeit bitte ich um die schriftliche Beantwortung folgender Fragen:
Mit Wirkung vom 30.09.2015 hat das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz in einem gemeinsamen Erlass mit dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Anforderungen an die Zwischenlagerung von Stallmist auf landwirtschaftlich genutzten Flächen neu geregelt.
Der Erlass stellt eingangs klar, dass im wasserrechtlichen Sinne Stoffe nur so gelagert werden dürfen, dass nachteilige Veränderungen des Grundwassers und oberirdischer Gewässer nicht zu befürchten sind. Da es bei unsachgemäßer Zwischenlagerung von Stallmist zu einer Verschmutzung des Grund- und Oberflächenwassers kommen kann, stellt die Zwischenlagerung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen grundsätzlich keine Alternative zur ortsfesten Lagerung dar und entbindet nicht von der Verpflichtung, hierfür eine befestigte Dungplatte gemäß geltender Vorschriften zu errichten.
Die Zwischenlagerung von Stallmist auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ist auf die Dauer von maximal 6 Monaten begrenzt und ist vom Umfang auf eine Menge zu begrenzen, welche bedarfsgerecht auf der Fläche der Lagerung und auf Flächen in unmittelbarer Nähe zur Zwischenlagerstätte aufgebracht werden soll. Das Lager ist mietenförmig bei möglichst kleiner Grundfläche aufzusetzen und mit einer Folie oder einem Vlies abzudecken. Eine Lagerung in Zone II von Wasserschutzgebieten ist unzulässig, im Übrigen sind spezielle Anforderungen in Wasserschutzgebiets- und Überschwemmungsgebietsverordnungen zu beachten.
Ab dem 01. Januar 2020 ist neben der oben beschriebenen Lagerung ein befestigter überdachter Lagerplatz oder, wenn nicht überdacht, ein mit zusätzlichem Sickerwas-serauffang versehenes Mistlager vorzuhalten, auf dem der Mist mindestens zwei Monate gelagert werden muss.
Soweit die Rechtslage, aber was bedeutet dies als Konsequenz für Pferdepensions-betriebe, Reitsportvereine und die zahlreichen Hobbypferdehalter in der Region Hannover?
Die Definition von Stallmist gemäß des betreffenden Erlasses besagt unter Punkt 2.1:
„Stallmist ist ein stapelfähiges Gemisch aus Kot, Harn und Einstreu. Stallmist kann darüber hinaus Futterreste sowie Reinigungs- und Niederschlagswasser enthalten. In Abhängigkeit von Tierart,
Aufstellungsform und Einstreumenge können die Inhalts-stoffe stark variieren.“
Mit dieser unscharfen Definition werden alle Mistarten gleichgesetzt. Es wird nicht nach Trockensubstanz und Nährstoffgehalt unterschieden. Eine mögliche nachteilige Veränderung von Gewässern und
Grundwasser steigt allerdings nur mit vergleichs-weiser geringer Trockensubstanz von unterhalb 50% und mit steigender auswaschbarer Nährstoffkonzentration. Pferdemist zeichnet sich in aller Regel
durch Trockensubstanz von 50-70% aus und hat daneben von allen Misten den geringsten Nährstoffgehalt. Dies kann durch entsprechende Analysen und Konsolidierung von Experten der
Grundwasserschutzberatung belegt werden.
Inhalt und Beschaffenheit von Pferdemist ergeben sich allerdings aus der fachlichen Praxis: Pferde werden in aller Regel in sogenannten Hochställen gehalten. Das be-deutet, dass die Pferde auf einer flachen Strohmatte stehen und die Boxen täglich gemistet werden. Dies dient der Schonung der Hufgelenke und einer deutlichen Re-duktion von Ammoniakgas in der Luft, welche die Atmungsorgane der Tiere schädigen könnten. Durch das tägliche Misten zeichnet sich Pferdemist durch einen hohen Anteil an Einstreu (in aller Regel Stroh) aus. Dieser strohreiche Mist hat dadurch zwangsläufig einen hohen Trockensubstanzgehalt und geringe Nährstoffinhalte.
Pferdemist ist ein in der Landwirtschaft gern eingesetzter Mist. Nicht bezogen auf seine geringen Nährstoffgehalte, sondern vielmehr durch seine bodenverbessernde Wirkung. Aufgrund des hohen
Einstreuanteils verbessert Pferdemist den Humusge- halt und die Bioaktivität des Bodens und steigert somit die natürliche Bodenfruchtbarkeit von Ackerböden.
Die meisten Pferdehalter sind mangels eigener landwirtschaftlicher Flächen und Ak-tivität auf die Kooperation mit landwirtschaftlichen Betrieben angewiesen, von denen sie das Stroh beziehen und im Gegenzug den Mist zurückgeben. Aufgrund des Erlasses zur Lagerung von Stallmist und der seit Juni 2017 in Kraft getretenen Düngeverordnung schrecken allerdings viele Landwirte vor dieser Kooperation zurück, da sie ihrerseits Aufwand und Strafen befürchten müssen.
Ab dem 01. Januar 2020 müssen Lagereinrichtungen auch für Pferdemist gebaut werden. Dies stellt viele Betriebe und Vereine vor große finanzielle Probleme. Die Errichtung solcher Lager unterliegt stets dem Baurecht. So wird es einigen Pferde-haltern nicht möglich sein ein Lager zu errichten. Auf andere kommen hohe Investitionen zu, welche nicht zu bewältigen sind. In jedem Fall werden die Betreiber von Pferdeställen ihre Kosten weiter reichen. Das bedeutet, dass Einstellplätze deutlich teurer werden müssen und Vereinsbeiträge steigen werden.
Beispielhafte Berechnung der zusätzlichen Aufwendungen für den Bau einer Pferdemistlagereinrichtung für eine Einheit von 30 Pferden nach Auskunft der Landwirtschaftskammer:
Mistplatte 10m² pro Pferd (300 m²) à 200 €/m² 60.000 €
Sickerwasserauffang 200 m³ à 100 €/m³ 20.000 €
Bauantrag, Architektenleistung und Planung 10.000 €
Erwerb der Fläche ca. 1.000m² à 10 €/m² 10.000 €
Ausgleichsfläche Faktor 1:2 = 2.000 m² à 10 €/m² 20.000 €
Bepflanzung und Herstellung der Ausgleichsfläche 07.000 €
Errichtungskosten inkl. Nebenkosten und Grunderwerb 127.000 €
Diese exemplarische Berechnung bedeutet bei dreißig Pferden einen Investitionsbedarf von 4.233 € pro Pferd. Für die Nutzungsdauer einer solchen Anlage von 10 Jahren bedeutet dies zusätzliche Haltungskosten von rund 35 €/Monat. Diese Berechnung beinhaltet keinen Zinsansatz für die Investition. Unter Berücksichtigung eines Zinsansatzes sind es sogar bis zu 50 € pro Pferd und Monat.
Die Region Hannover ist eine Pferderegion. Der Pferdesport ist nicht nur in den Be-reichen Zucht und Freizeit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region Hannover und ein Aushängeschild derselben. Genauso bedeutsam ist die Pferdehaltung auch in sozialen und ehrenamtlichen Belangen. Reitsportvereine bilden und stärken eh-renamtliches Engagement und Gemeinschaft. Pensionsställe, welche sich zumeist in ländlichen Bereichen befinden, sind auch immer Kontaktpunkte für die Gemeinschaft. Kinder- und Jugendarbeit findet am Pferd statt, wie in kaum einer anderen Sportart. Mit dem vor- und nachgelagerten Bereich stellt dies einen nicht unerheblichen Wirt-schaftsbereich der Region dar an denen erheblich viele Arbeitsplätze gebunden sind.
Die Unverhältnismäßigkeit, mit der der Erlass die Lagerung und Handhabung von Pferdemist regelt, wird nicht nur ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor der Region bedroht, sondern auch Gemeinschaft, Ehrenamt und Jugendarbeit in der Stadt und auf dem Land in Frage gestellt.
Ich frage die Verwaltung:
1. Wie viele pferdehaltende Betriebe und Vereine sind in der Region Hannover registriert? Wie viele Betriebe und Vereine sind es in den jeweiligen Regions-kommunen konkret?
2. Wie viele Pferde werden in der Region Hannover gehalten? Wie viele Pferde sind es in einzelnen Regionskommunen konkret?
3. Ab dem 01. Januar 2020 ist neben der eingangs beschriebenen Lagerung ein befestigter überdachter Lagerplatz oder soweit nicht überdacht, ein mit zusätz-lichem Sickerwasserauffang versehenes Mistlager vorzuhalten, auf dem der Mist mindestens zwei Monate gelagert werden muss. Wie hoch werden nach Einschätzung der Regionsverwaltung dazu die Kosten pro Pferd für die pfer-dehaltenden Betriebe und Privatpersonen sein?
4. Laut Auskunft der Landwirtschaftskammer liegen die im Textteil meiner Anfrage genannten Richtwerte vor. Kann die Regionsverwaltung die genannten Kalkulationskosten bestätigen?
5. Folgen und Auswirkungen des Erlasses des MU / ML für und auf die Region Hannover:
a. Welche Informationen / Maßnahmen plant die Region zur Information der Betroffenen?
b. Wer kontrolliert die Umsetzung des Erlasses in der Region?
c. Wie hoch schätzt die Regionsverwaltung den Personalaufwand in Mitarbei-terstunden pro Jahr zur Kontrolle ein?
d. Welche personellen und finanziellen Mittel zur Umsetzung des Erlasses erhält die Region vom Land Niedersachsen?
e. Welche Strafen drohen Grundstückeigentümern / Verhaltensstörern von Pferdemist bei Zuwiderhandlung?
f. Ist eine befestigte Dungplatte ab dem 01.01.2020 für Pferdemist Pflicht?
g. Welche ökologischen Bestandsauswirkungen sind durch das Abdecken der Misthaufen für Bestände von Fledermäusen und Schwalben in der Region zu befürchten?
6. Gibt es für die Regionsverwaltung einen Handlungs- bzw. Auslegungsspielraum bezüglich des im Erlass vorgegebenen Verbotes der Zwischenlagerung vom miterfassten Pferdemist auf landwirtschaftlich Flächen hinsichtlich der Vorgabe ab 2020 einen befestigten und überdachten Lagerplatz bzw. einen Lagerplatz mit zusätzlichem Sickerwasserauffang versehenden Mistlagers zu errichten?
7. Trifft es zu, dass die Niedersächsischen Landkreise die Umsetzung des Erlas-ses unterschiedlich auslegen, da sie von unterschiedlichen Ermessensspiel-räumen ausgehen?
8. Grundgedanke für die Veröffentlichung des Erlasses ist der Ausschluss einer Gefährdung des Grundwassers. Gibt es fachlich fundierte Erkenntnisse, in welcher Hinsicht das Grundwasser von Pferdemist belastet wird? Pferdemist weist im Vergleich zu anderen Mistarten einen hohen Trockensubstanzgehalt auf. Ist es nicht so, dass deshalb bei Pferdemist im Vergleich zu anderen Mistarten von keiner Auswaschung von Inhaltsstoffen in den Boden auszugehen ist?
9. Nach der Schlussbestimmung des Erlasses tritt der Erlass am 31.12.2020 außer Kraft. Welche Pflichten ergeben sich für Pferdebesitzer ab diesem Zeitpunkt?
10. Gibt es ähnliche Erlasse in anderen Bundesländern oder handelt es sich bei der Veröffentlichung des Erlasses um ein Einzelvorgehen des Niedersächsischen Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums?
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Brandt
Regionsabgeordneter