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Sehr geehrter Herr Jagau,
dem Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz wurde in obiger Angelegenheit für die Sitzung am 25.04.2013 die IDs Nr 0913 (III.) zugeleitet und die Sitzungsniederschrift nebst Anlage 1 vorgelegt. Am 10.06.2013 hat sich der Ausschuss zudem vor Ort informiert und vom Unternehmen eine Informationsmappe erhalten.
Das Unternehmen betreibt auf der Leineinsel zur Zeit eine Produktionslinie von Faser-Pellets für den Straßenbau. Es möchte weitere Lagerflächen, LKW Stellplätze und Hallen für neue Produktlinien schaffen.
Laut Anlage 1 (Nr. 9) der Niederschrift tangieren die geplanten Vorhaben Flächen im Über-schwemmungsgebiet: Die Verwaltung hat mitgeteilt, dass dort gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG die Ausweisung neuer Baugebiete „in Bauleitplänen“ grundsätzlich untersagt ist.
Vor diesem Hintergrund frage ich:
I. Lagerflächen (bis zu 6000 m²)
1. Ist der bisherige Vortrag des Unternehmens, dass die Anmietung einer Fläche außerhalb des Betriebsgeländes unrentabel sei, substantiiert genug, um die wirtschaftlichen Gründe i.S.v. ei-ner Verbotsabweichung nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 WHG darzulegen?
2. Ist das Unternehmen bereit, mitzuteilen bzw. verfügt die Verwaltung über Erkenntnisse
a. wie das Unternehmen die Unrentabilität festgestellt hat und diese Berechnung darzule-gen?
b. wie hoch die Kosten der vom Unternehmen in der Informationsmappe -Seite 3- benannten Anmietung einer Lagerfläche im Winter 2009/2010 für welchen Zeitraum waren?
c. wie hoch sich die Kosten für eine Lagerung außerhalb der Leineinsel per anno belaufen würden?
d. wie hoch die baulichen Kosten der beabsichtigten Lagerflächenerweiterung sind? In-wieweit verändern sich diese bei der Berücksichtigung eines HQ 200 – Ereignisses?
3. Hat die Gemeinde vor Ort dem Unternehmen Lagerflächen außerhalb der Leineinsel zur Pacht oder zum Kauf angeboten oder sich um die Vermittlung bemüht?
II. LKW-Stellplätze
1. Beruft sich das Unternehmen diesbezüglich auf technische oder wirtschaftliche Gründe im Sinne einer Verbotsabweichung nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 WHG und wie wurden diese dargelegt?
2. Warum zieht das Unternehmen nicht den Einsatz z.B. eines modernen mobilen Leitfunksys-tems in Erwägung und lenkt die LKW entsprechend des vorhandenen Platzbedarfes von au-ßerhalb auf das Gelände?
3. Wie hoch wären die Kosten eines Leitfunksystems oder ähnlichem im Verhältnis zu den Kos-ten der Schaffung von LKW-Parkflächen auf dem Gelände?
III. Hallen für neue Produktlinien
1. Inwieweit ist die Schaffung neuer Produktionslinien unter dem Begriff „verlängerte Werkbank“ (Anlage 1 Nr. 9 der o.a. Niederschrift) zu subsumieren?
2. Verändert sich die zukünftige Genehmigungsfähigkeit zusätzlicher Produktionszweige zuguns-ten des Unternehmens, nachdem die Leineinsel aus dem LSG H-70 entlassen und die ge-wünschten Verkehrs- und Lagerflächen auf der Insel gebaut worden sind?
IV.
Die Handlungsanleitung der Bauministerkonferenz ARGE BAU vom 22.09.2010 führt auf Seite 3 aus:
„Die immer wiederkehrenden Hochwasserereignisse haben vielfältige Reaktionen, aber auch For-derungen zum Schutz vor Hochwassergefahren hervorgerufen. Vor dem Hintergrund der Diskus-sion über die Auswirkungen des Klimawandels sowie über vorbeugende und anpassende Maß-nahmen rücken auch Fragen des Hochwasserschutzes wieder verstärkt in den Fokus. Es bedarf daher weiterer Anstrengungen, um sowohl Konsequenzen aus fehlerhaften Entwicklungen der Vergangenheit zu ziehen als auch noch bestehende Mängel zu beheben und weitere vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen.“
Vor diesem Hintergrund frage ich weiter:
1. Inwieweit ist durch die Vorhaben § 2 Abs. 2 Nr. 6 ROG tangiert?
2. Welche anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung für weitere Lagerflächen, LKW Stell-plätze und Hallen für neue Produktlinien hat die Gemeinde jeweils geprüft und angeboten? Kann eine andere Möglichkeit der Siedlungsentwicklung geschaffen werden und wenn „nein“ warum nicht?
3. § 78 Abs. 2 Nr. 3 WHG schreibt vor, dass eine Gefährdung von Leben oder erhebliche Ge-sundheits- oder Sachschäden nicht zu erwarten sein dürfen. Die Firma hat vorgetragen, dass die Evakuierung von Personal und Sachgütern über die schmale Zufahrtsbrücke in etwa einen Arbeitstag in Anspruch nehmen würde.
a. Welche (Vorwarn-)Zeit bei außergewöhnlichem Hochwasser wird vorliegend benötigt, um bei einer Evakuierung die Gefährdung von Leben und Gesundheit auszuschließen?
b. Sind bei Hochwasser Sachschäden bei den beabsichtigten Bauvorhaben auf dem Gelände zu erwarten? Wie beurteilt sich dies bei einem HQ 200 – Ereignis?
c. Können die Bauvorhaben so errichtet werden, dass bei dem Bemessungshochwasser der Festsetzung des Überschwemmungsgebietes zugrunde gelegt wurde, keine baulichen Schäden zu erwarten sind (§ 78 Abs. 2 Nr. 9 WHG). Welche (Zusatz-) Kosten verursacht dies?
d. Das Unternehmen hat vorgetragen, dass Hochwasserschäden durch eine Haftplichtversi-cherung gedeckt wären. Wie hoch ist die Deckungssumme der Versicherung? Welche Schäden werden abgedeckt (eigene Schäden/Drittschaden)?
Mit freundlichen Grüßen f.d.R.
gez. Christoph Loskant Niels Schröder
-Regionsabgeordneter- -Referent-
Antwort:
Vorbemerkung:
Mit der Drucksache 0913 (III) wurde der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz in einem frühen Stadium über das Vorhaben informiert, Teile der Leineinsel in Schulenburg aus dem Landschaftsschutzgebiet H 70 zu entlassen. Den Fraktionen soll damit Gelegenheit gegeben werden, frühzeitig Anforderungen an den noch einzuleitenden Planungsprozess zu formulieren, oder ggf. Anträge zum weiteren Verfahren zu stellen.
Die Entlassung aus dem Landschaftsschutzgebiet stellt dabei den entscheidenden Schritt dar, um eine Bauleitplanung der Stadt Pattensen zu ermöglichen. In diesem Verfahren geht es allerdings ausschließlich um die Beurteilung der Flächen aus Sicht des Naturschutzes und unter welchen Bedingungen die Entlassung aus dem Landschaftsschutzgebiet möglich werden kann. Es folgen dann weitere notwendige Planungsschritte, nämlich F-Plan und B-Plan der Stadt Pattensen. Grundsätzlich sind Details erst für diese Planungsschritte zu erarbeiten, und erst in diesem Verfahren ist die Vereinbarkeit der Pläne z.B. mit dem Wasserrecht im Detail zu klären. Zu den konkreten Planungen und den eingegangenen Stellungnahmen muss die Stadt Pattensen im Rahmen ihrer Zuständigkeit Abwägungen vornehmen und Entscheidungen treffen.
Ein Beteiligungsverfahren für die Entlassung der Flächen aus dem Landschaftsschutzgebiet wurde bisher noch nicht eingeleitet. Die Stadt Pattensen hat ihrerseits in diesem frühen Stadium des Verfahrens auch noch keine Unterlagen zu der Bauleitplanung versandt. Daher liegen der Region Hannover zum jetzigen Zeitpunkt auch noch keine ausgearbeiteten Pläne mit den erforderlichen Begründungen oder weitere Unterlagen und Informationen vor, als die, die im Rahmen des Ortstermins am 10.06.2013 vorgestellt wurden. Die hier gegebene Antwort basiert daher auf diesem Kenntnisstand. Im Zuge der Bauleitplanung sind noch detailliertere Angaben zu erwarten.
Für die Kompensation der möglichen Löschung der LSG-Flächen in einem neu auszuweisenden LSG wurde ein Vorschlag unterbreitet. Dabei handelt es sich um schutzwürdige Flächen (H-73 „Pattenser Ebene“), für die im Landschaftsrahmenplan eine Ausweisung als LSG vorgeschlagen wird.
I. Lagerflächen
Zu Frage 1:
Der größte Teil der neu zu schaffenden Lagerkapazitäten soll auf einer Fläche angelegt werden, die nach der Neuberechnung des Überschwemmungsgebiets hochwasserfrei bleibt. Die Neu-Festsetzung des Überschwemmungsgebiets steht an dieser Stelle aus. Hier ergibt sich kein Konflikt zwischen Bauleitplanung und Hochwasserschutz. Soweit das Überschwemmungsgebiet selbst für zusätzliche Lagerflächen in Anspruch genommen werden soll, so werden dazu im Rahmen der Bauleitplanung detaillierte Angaben erwartet. Grundsätzlich ist es aber ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die Schaffung von Lagerflächen in mehren Kilometern Entfernung vom Betriebsstandort zusätzliche Kosten nicht nur bei der Einrichtung, sondern auch im laufenden Betrieb erzeugt.
Hinweis: Die vom Naturschutz gewünschte Aufgabe der hochwasserfreien Lagerfläche am Ufer östlich der Leineinsel würde die Verlagerung in das Überschwemmungsgebiet hinein bedeuten. Es ist bisher nicht zu erkennen, dass das mit den Forderungen des WHG vereinbar wäre.
Zu Frage 2:
Das Unternehmen ist grundsätzlich bereit Angaben zu den Kosten zu machen. Es bittet aber – aus Sicht der Verwaltung absolut nachvollziehbar - um Verständnis, dass komplette betriebswirtschaftliche Kalkulationen nicht offen gelegt werden können. Die Anmietung der externen Lagerflächen hat bisher monatlich 12.000 € gekostet. Hinzu kommen Mehrkosten für den Transport und das Handling. Es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der bisher genutzten Lagermöglichkeit auf dem Gelände der nahegelegen Zuckerfabrik Nordstemmen nur um eine Zwischenlösung handelt und die Fläche für eine dauerhafte Anmietung nicht zur Verfügung steht. Nach den Berechnungen von JRS wird sich die Herrichtung der Flächen auf dem eigenen Grundstück innerhalb von 2 bis 2,5 Jahren amortisieren.
Die Höhe des Bemessungshochwassers spielt dabei keine Rolle.
Zu Frage 3:
Um dem für die Stadt Pattensen bedeutenden Gewerbebetrieb weitere Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten, haben die Wirtschaftsförderung der Stadt Pattensen und der Region Hannover Gewerbeflächen in Pattensen ins Gespräch gebracht. Das Unternehmen hat dabei unmissverständlich deutlich gemacht, dass ein Alternativstandort in Pattensen oder der näheren Umgebung aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage kommt. Im Übrigen ist die historische Brücke über die Leine nach Schulenburg auch in ihrer Tragfähigkeit beschränkt und darf von beladenen Sattelzügen daher nicht befahren werden.
II. LKW-Stellplätze
Zu Frage 1:
Die LKW-Stellfläche wird mit dem Zusammenhang zwischen Bereitstellung der LKW und der Beladung begründet. Die Notwendigkeit ist aus Sicht der Regionsverwaltung ausreichend nachvollziehbar. Das gilt vor Allem vor dem Hintergrund, dass alle anderen wasserrechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung im Überschwemmungsgebiet ohne Schwierigkeiten erfüllt werden können.
Zu Fragen 2 und 3:
Auf jeden Fall müssen auf dem Betriebsgelände größere Flächen für das Rangieren und den Begegnungsverkehr von LKW geschaffen werden. Der Abruf wartender LKW per Funk wäre möglich, setzt aber Aufstellflächen in relativer Nähe zum Betrieb voraus. Solche Flächen gibt es jedoch nicht. Die von der Stadt vorgesehenen LKW-Flächen an der Landesstraße („Banane“) werden von der Regionsverwaltung kritisch gesehen.
III. Neue Produktionshallen
Zu Frage 1:
Unter dem Stichwort "verlängerte Werkbank" können zusätzliche Produktionsanlagen im Überschwemmungsgebiet durch B-Plan entwickelt werden, wenn aus technischen oder wirtschaftlichen betrieblichen Gründen eine unmittelbare örtliche Zuordnung zu den vorhandenen Betriebsanlagen erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist im Bauleitplanverfahren zu belegen.
Zu Frage 2:
Die Entlassung der Fläche aus dem Landschaftsschutzgebiet ist eine Voraussetzung, um überhaupt Bauleitpläne aufstellen zu können. Sie hat unmittelbar nichts damit zu tun, ob die Planung auch nach dem WHG im Überschwemmungsgebiet zugelassen werden kann. Die Zulassung von Lagerflächen und LKW-Stellplätzen im Zusammenhang mit der Produktion von Faser-Pellets führt wiederum nicht dazu, dass andere Produktionsanlagen im Überschwemmungsgebiet zwangsläufig zugelassen werden müssen. Die Mit-Nutzung dieser Anlagen kann aber evtl. ein zusätzliches, jedoch kein hinreichendes Argument für die Zulassung solcher Produktionsausweitungen sein.
IV. Weitere Fragen
Zu Frage 1:
Die Festsetzung des Überschwemmungsgebiets nach dem WHG ist konkreter und geht mit den daraus folgenden Verboten und möglichen Ausnahmen weiter als die vorsorgende Ausweisung des Vorranggebiets für den Hochwasserschutz nach dem ROG. Die Festsetzungen nach dem WHG müssen mit der Raumordnung abgestimmt sein. Wenn die Bauleitplanung nach dem WHG im Überschwemmungsgebiet zulässig ist, dann ist sie daher folglich auch mit der raumordnerischen Festsetzung vereinbar.
Zu Frage 2:
Zu Frage I.3 ist bereits dargestellt, dass Alternativstandorte in Pattensen für das Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage kommen. Im Bauleitplanverfahren ist das noch einmal genauer zu begründen.
Zu Frage 3a:
An Tieflandflüssen halten Hochwasserlagen länger an und der Wasserspiegel steigt verhältnismäßig langsam, insbesondere wenn der Hochwasserscheitel erreicht wird. Die Verhältnisse im Überschwemmungsgebiet unterscheiden sich in dieser Hinsicht sehr von z.B. Hochwasserwellen an Gebirgsbächen oder dem schnellen Wasserspiegelanstieg im Hinterland nach einem Deichbruch. Für die Evakuierung von Mitarbeitern des Betriebes JRS-Prozesstechnik reicht daher die jeweils tägliche Beobachtung des Wasserstands. Dagegen wird es erforderlich sein, die Wasserstände und Randbedingungen zu definieren, ab denen mit der Sicherung der Betriebsanlagen und der gelagerten Materialien einige Tage vor einer möglichen Überflutung zu beginnen ist.
Zu Fragen 3b und 3c:
Bei Hochwasser sind Schäden an den Bauwerken nicht auszuschließen. Sie müssen aber „hochwasserangepasst“ ausgeführt werden, gravierende Schäden dürfen an der Bausubstanz und an den Betriebsanlagen nicht entstehen. Die Regionsverwaltung geht davon aus, dass solche Bauweisen möglich sind. Genaueres ist letztlich im Baugenehmigungsverfahren zu regeln. Der Regionsverwaltung ist nicht bekannt, welche Zusatzkosten dadurch entstehen. Letztlich kann das auch erst dann beantwortet werden, wenn die Anlagen für die Baugenehmigung konkret geplant werden.
Zu Frage 3d:
Das Unternehmen hat der Regionsverwaltung die Deckungssummen benannt. Sie werden aber nicht in einer öffentlichen Drucksache genannt.